Ein altes ostpreußisches Geschlecht kam in den
friderizianischen Feldzügen im 18. Jahrhundert ins Rheinland. Der
Gerichtsaudiator Böhncke übte damals in den Städten Jülich, Trier und Saarlouis
die Militärjustiz aus. Der Gerichtsaudiator war nach unserm heutigen
Sprachgebrauch ein Gerichtsoffizier.
Alexander Böhncke, der Sohn dieses
Gerichtsaudiators, erlernte in Trier das damals sehr seltene Handwerk eines
Konditors. Nach seiner Lehr- und Gesellentätigkeit war er Chef- und Hofkonditor
am Kürfürstlichen Schloss zu Wiesbaden.
Am 6. Dezember 1859 ließ er sich in
Simmern nieder und eröffnete im Haus von Salomon Rothschild in der Marktstraße -
später Emanuel, dann Fleischer - eine Konditorei. Dieses Ereignis gab er mit
folgenden Worten im "Intelligenzblatt", der Vorgängerin der "Hunsrücker
Zeitung", bekannt:

"Geschäfts - Eröffnung.
Ich bringe hiermit zur Anzeige, daß ich eine
Conditorei hier errichtet habe und empfehle mich hierfür aufs angelegentlichste.
Alle Bestellungen, sowohl auf hiesigem Platze, als auch auswärts, werden prompt
ausgeführt. Ferner empfehle ich mich in Verabreichung der in mein Fach
einschlagenden Liquere, Thee, Chokolade, Caffee. Meine Wohnung befindet sich in
dem Haus des Herrn Salomon Rothschild, der Post gegenüber. A. Böhncke."
Am 20. Februar 1863 kaufte Alexander
Böhncke ein Haus in der Klostergasse. Dieses Haus hatte bis zum Vortag dem
Seifensieder Wächter gehört, der es an den Rotgerber Carl Oswald Goetz für "1750
Taler preußisch Courant" verkaufte, von diesem wurde es an den Conditor
Alexander Böhncke und seine Frau Agathe, geborene Tillmann, abgetreten, es ist
das Haus gegenüber der katholischen St. Josephskirche. Das Haus gehörte in
den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts dem Steueraufseher Conrad Polty, der es
der Casino- Gesellschaft zu einem Mietpreis von 118 Talern vermietete und ab 1.
Mai 1838 der Stadt Simmern für die Höhere Bürgerschule überlies.
Im Jahr 1865 wurde von Alexander Böhncke
die Konditorei von der Marktstraße in die Klostergasse verlegt. Seine Frau
Agathe, geborene Tillmann, stammte aus einer Förstersfamilie in Dörrebach. In
ihrer Ehe wurden ihnen vier Knaben und zwei Töchter geschenkt:
Der älteste, Julius, der die Konditorei
von seinem Vater übernahm; Karl, der bereits im jugendlichen Alter verstarb;
Gustav, der Pastor wurde und zuletzt in Wolsfeld in der Eifel amtierte und in
Simmern im Jahr 1939 verstorben ist; Robert, Stadtdirektor bei der Verwaltung in
Aachen; ferner Elisabeth, die viele Jahre im elterlichen Unternehmen tätig war,
und Agathe, die im Pastorenhaushalt ihres Bruders Gustav lebte.
Der älteste Sohn Julius,
geboren 1864, übernahm im Jahr 1897 den väterlichen Betrieb in der Klostergasse.
Er war verheiratet mit Johanna Steinborn, geboren am 23. November 1870. Sie war
eine Försterstochter aus Biesdorf im Kreis Bitburg.

Conditorei Julius Böhncke,
Klostergasse, im Jahr 1909, rechts im
Bild Julius Böhncke, daneben ein Gehilfe. Zwischen Julius Böhncke und dem
Gehilfen steht das Söhnchen Julius. Agathe, die Tochter sitzt auf dem Stuhl,
links der damalige Lehrling Phillip Hanzo.
Frau Johanna war ihrem Mann nicht nur eine
gute Ehefrau und sorgende Mutter, sondern auch eine rührige Geschäftsfrau,
die das Regiment im Ladengeschäft in der Klostergasse führte und auch dem Sohn
Robert, nach Übernahme der Konditorei durch ihn, noch helfend zur Seite stand.
Ihrer Ehe wurden sechs Kinder beschert:
Gustav, geb. am 3. Juli 1897;
Robert, geb. am 10. Februar 1899; Agathe, geb. am 23. November 1900;
Julius, geb. 31. März 1905; Ernst, geb. am 11. Juni 1907; und Willi, geb. am 4.
Februar 1913.
Gustav wurde Diplomingenieur und war viele
Jahre in dem Eisenhüttenwerk von Gebrüder Röchling in Völklingen an der Saar,
zuletzt war er Direktor der Städtischen Betriebe in Saarbrücken und Völklingen.
Er starb im Jahr 1960 und war verheiratet mit Paula, geb. Moritz. In dieser Ehe
wurden drei Töchter geboren: Ursula, Gertrud und Elisabeth.
Agathe, die einzige Tochter von Julius
Böhncke, zog sich im 4. Lebensjahr eine spinale Kinderlähmung zu und lebte im
Haushalt ihres Bruders Robert in der Klostergasse. Trotz ihres Leidens, das sie
ganz ans Haus fesselte, wurde sie von ihrem Bekanntenkreis wegen ihres regen
Verstandes und ihrer lebensbejahenden Einstellung sehr geschätzt, oft besucht
und um Rat angegangen. Sie verstarb im Jahr 19..?
Julius, der dritte Sohn seines
gleichnamigen Vaters, besuchte die Realschule in Bad Kreuznach, absolvierte
seine Lehrzeit bei der Firma Scharlachberg in Bingen, wurde Kaufmann und
erlernte dann noch den Beruf eines Konditors. Er wanderte im Jahr 1926 nach den
Vereinigten Staaten von Nordamerika aus und war dort verheiratet mit einer
Amerikanerin. Er besaß eine Ranch in der Nähe von Los Angelos.
Ernst Böhncke, der vierte Sohn, wurde
Schlosser und lernte bei Adam Solzbacher in Simmern. Dann besuchte er das
Technikum in Bingen und war später Ingenieur bei der Hütten- Union In Dortmund-
Hörde. Er war verheiratet mit Irmgard Maass, der Tochter des Straßenbaumeisters
Maass, Simmern. Sie haben eine Tochter mit Namen Christel.
Willi, der letzte Sohn, besuchte die
Volksschule in Simmern und das Gymnasium in Mainz, studierte in München Medizin
und promovierte in Würzburg. Dr. Willi Böhncke praktizierte seit dem Jahr 1947
in Gemünden im Hunsrück. Er war verheiratet mit Rosemarie Gössmann. Ihr einziger
Sohn hieß Robert.
Robert Böhncke, der zweite
Sohn von Julius Böhncke, trat im Jahr 1920, nach dem Tode seines Vaters, in das
Unternehmen ein. Zunächst führte er es mit seiner Mutter weiter.

Im
Jahr 1927 heiratete er
Johanna
Dresen aus Ruhrort (Duisburg), die sofort
helfend in das Geschäft eingriff und lange noch, auch als Seniorchefin im Cafe
wirkte.
In
ihrer Ehe wurden ihnen zwei Töchter geboren:
Anni, geb. am 23. November 1930,
verheiratet mit Studienrat Hans Dorn in Mainz. Sie haben zwei Kinder: Martin und
Bettina.
Agathe,
die zweite Tochter wurde geboren am 17. Februar 1932. Sie ist verheiratet mit
Wilfried Knau, einer alten Hunsrücker Familie aus Argenthal entstammend, dessen
Vater Wilhelm Knau in Simmern die erste Süßmosterei errichtete.

Wilfried
Knau legte 1965 die Meisterprüfung im Konditorenhandwerk ab. Sie haben
vier Kinder: Brigitte, Johannes, Christine und Alexa.
Im Jahr 1931 erwarben Robert Böhncke und
seine Ehefrau das Haus Marktstraße 48, in dem der vorherige Besitzer Otto
Hoffmann ein Uhren- und Juweliergeschäft hatte. Nach dem Erwerb durch Böhncke
wurde das Haus sofort den Erfordernissen eines Cafés und einer Konditorei
entsprechend umgebaut. Im Jahr 1939 wurde eine Erweiterung vorgenommen und 1954
erfolgte wieder ein völliger Umbau, mit Anschluss einer Backstube, die bis zu
diesem Zeitpunkt in der Klostergasse verblieben war. Die architektonische
Gestaltung erfolgte durch Professor Peitan, einem Balten, der auch die Gaststube
im Hotel zur Post entwarf. Im Jahr 1959 anlässlich des hundertjährigen Bestehens
des Unternehmens, wurde die Vorderfassade des Hauses neu geschaffen. Das Haus
erhielt eine besondere Note, die es aus seiner Umgebung heraushob. In den Jahren
1963 und 1964 wurde das rückwärtige Gelände, das an der Kirchgasse liegt,
gegenüber dem Bürgermeisteramt, mit einem Einfamilienhaus überbaut, das für
reine Wohnzwecke bestimmt war.
Die Konditorei Böhncke hatte einen weit
über die Grenzen des Hunsrücks hinausgehenden Ruf. Aus den umliegenden größeren
Städten - natürlich auch aus der Umgebung von Simmern - trafen oft
Besucher in Simmern ein, die nur aus dem Grund eine verhältnismäßig weite Fahrt
unternommen hatten, um die Konditorei Böhncke zu besuchen. Sie war durch ihre
Spezialitäten besonders bekannt geworden. In dem Unternehmen war eine alte
Konditoren- Tradition verankert, die immer wieder auf Nachkommen übergegangen
ist. Mancher ehemalige Lehrling und Geselle, der aus der Konditorei Böhncke
hervorgegangen ist, hat durch die dort erworbenen Kenntnisse und Backgeheimnisse
sich später in der Welt bewährt.

Zum
Seitenanfang
zurück
weiter